1.

[15] Ist irgend zu erfragen

Ein Schäffer umb den Rein,

Der sehnlich sich beklagen

Muß über Liebespein,

Der wird mir müssen weichen,

Ich weiß, sie plagt mich mehr;

Niemand ist mir zu gleichen,

Und liebt er noch so sehr.


Es ist vorbey gegangen

Faßt jetzt ein volles Jahr,

Daß Phyllis mich gefangen

Mit Liebe gantz und gar,

Daß sie mir hat genommen

Gedancken, Muth und Sinn;

Ein Jahr ist's, daß ich kommen

In ihre Liebe bin.


Seyt dem bin ich verwirret

Gewesen für und für,

Es haben auch geirret

Die Schaffe neben mir;

Das Feld hab' ich verlassen,

Gelebt in Einsambkeit,

Hab' alles müssen hassen,

Worumb ein Mensch sich freut.


Nichts hab' ich können singen

Als nur ihr klares Liecht;

Von ihr hab' ich zu klingen

Die Lauten abgericht;

Wie sehr ich sie muß lieben

Und ihre grosse Ziehr,

Das hab' ich fast geschrieben

An alle Bäum' allhier.


Kein Trincken und kein Essen,

Ja, nichts hat mir behagt,

Ich bin nur stets gesessen

Und habe mich beklagt;

In diesen schweren Orden

Verendert alles sich,

Die Herd' ist mager worden,

Und ich bin nicht mehr ich.


Sie aber hat die Sinnen

Weit von mir abgekehrt,

Ist gar nicht zu gewinnen,

Als wer' ich ihr nicht werth,

Da doch, was ich gesungen

Im Brittenland' erschallt

Und auch mein Thon gedrungen

Biß durch den Böhmer Waldt.


So hab' ich auch daneben,

Ich habe was bey mir,

Daß ich nicht wolte geben

Umb alles Vieh allhier

Das an des Neckers Rande

Im grünen Grase geht;

Mein Lob wird auff dem Lande

Und in der Stadt erhöht.


Jedoch nach diesem allen

Frag' ich nicht sonders viel,

Der Phyllis zu gefallen

Ich einig singen wil,

Weil nichts ist, das auff Erden

Mir ohne sie gefellt;

Kan ihre Gunst mir werden,

So hab' ich alle Welt.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 15.
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