Der staubig Franciscus

[289] In der feuerweis Albrecht Leschen.


24. merz 1550.


1.

Ein freihirt vom gebirge zug,

dem bekam ein abt, nit fast klug,

der sprach: »gesell, wan here?«

dem antwort wider ere:

»ich kum von oben rab.«[289]

»Kumst von himel?« der abt in fragt.

»ja!« sprach er. der abt weiter sagt:

»hast sant Peter gesehen?

was tet er zu dir jehen?«

da sprach der freihirtsknab:

»Er fragt mich, ob kein münich wer

auf ganzem ertereich?

ich sprach: es mindert sich ir hauf.

sant Peter sprach: es ist ir rauf

in fünf und zweinzig jaren

gar kein münich gefaren.«

der abt gesegnet sich,


2.

Reit hin, den dingen nachgedacht.

als er entschlief die selben nacht,

daucht in in traumes gsichte,

wie das er selb gerichte

hinauf gen himel für.

Da er kam für der himel pfort,

da sach er niemant an dem ort,

dan Franciscum den stifter,

der barfüßer ein stifter,

lag auf der übertür,

Und lag oben auf im der staub

wol zweier finger dick.

der abt sprach: »du heiliger man,

wiltu nit ein gen himel gan?«

Franciscus sprach: »alleine,

so wolt ich gen hineine,

do ergriff mich beim strick


3.

Sant Peter sprach: wo wiltu hin?

weißt nit, es helt dein orden in,

das alweg zwen und zwene

soln mit einander gene?

wie, das allein kumstu?[290]

Bleib vor der tür und wart darum,

bis deiner brüder einer kum.

also hab ich fürware

gewart drei hundert jare

acht und zweinzig darzu,

Das meiner brüder keiner kumt;

sind auf der termanei;

ir gleisnerei und menschenler

ist lieber in, dan gottes er

und sein heiliges worte.«

da erwacht an dem orte

der abt. da bleib es bei.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 289-291.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Serapionsbrüder

Die Serapionsbrüder

Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

746 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon