Der Pfau

[95] Der Juno stolzer Vogel bat

Den Jupiter im Götterrath,

Ihn zum Monarchen zu erheben:

Ein Pfau, sprach er, was meinest du?

Schickt noch so gut, bey meinem Leben,

Als jener Adler sich dazu;

Selbst die Natur hat mich erkohren;

Von Gold und Purpur und Saphyr

Glänzt mein Gewand, und sieh nur hier,

Ein Krönchen ist mir angeboren.

Wohlan, sprach Zevs, der oft die Thoren

Zum Spaß erhört, magst König seyn.

Er sprachs. Mit rauschendem Gefieder

Fuhr plötzlich in den Cedernhayn

Der neue Großsultan hernieder

Und nahm den Thron des Adlers ein.

Der Gimpel und der Staar hofieret

Ihm in gereimten Schmeicheleyn,

Minervens Kauz philosophieret

Ob der Verwandlung. Aber schnell

Erhascht der Geyer ihn beym Fell

Und schleudert ihn von seinem Throne[96]

In einen Sumpf. Der plumpe Straus

Kömmt auch und reißt aus seiner Krone

Ein ganzes Büschel Federn aus.

Respect, ihr Schurken, rief erbittert

Der Opernschach, vernehmts und zittert!

Ich bin ... »Ein eitler Narr bist du« –

Der König Pfau von Gottes Gnaden.

»Ho, ho, wer machte dich dazu?«

Chronion ... Possen! Gaskonaden!

Versetzt die wilde Schaar und lacht:

Es ist schon lange nicht mehr Mode,

Daß Jupiter Monarchen macht –

Und hackt nun vollends ihn zu Tode.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 95-97.
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