Baharam

[3] An Bodmer.


Wie mancher Geck, der Kronen trägt,

Trüg itzt als Domherr die Calotte,

Hätt einst dem stolzen Aftergotte

Sein Volk die Arbeit auferlegt,

Wie Baharam sie zu erwerben.


Ein Königssohn aus Persien

War Baharam. Um seinen Erben

Nicht durch die Schmeichler zu verderben,

Ließ Hormuz in Arabien

Durch einen Weisen ihn erziehen.

Der gab ihm Adel, nicht sein Blut,

Und lehrte seinen kühnen Muth

Vor nichts als vor dem Laster fliehen.

Schon war auf dieser wilden Flur

Der Prinz zum Purpur reif geworden,

Als er des Vaters Tod erfuhr.

Er macht sich auf, verläßt die Horden

Und eilt auf den ererbten Thron.[3]

Doch fern von seinem Vaterlande

Erwarteten Gefahr und Bande

Zwey Jahre lang den Königssohn.

Man glaubt ihn todt. Die Nation

Wählt einen andern Autokraten;

Prinz Kesra wars. Er herrschte schon

Ein Jahr in Hormuz weiten Staaten,

Als der befreyte Baharam

Einst unverhoft nach Casbin kam,

Und vor dem Schach und den Magnaten

Der Ahnen Reich in Anspruch nahm.

Kein Krieg soll unser Recht entweihen,

Sprach er, der Thron sey dem bestimmt,

Der zwischen zween ergrimmten Leuen

Das Diadem vom Kampfplatz nimmt.

Es ist, versetzt mit schlauem Witze

Der König, schon mein Eigenthum;

Du strebst nach dem, was ich besitze;

Wohlan, so kämpfe du darum.

Das will ich, rief mit edler Hitze

Der Prinz und wählt zum ernsten Fest

Den Tag, den Ort, die Ungeheuer,

Die man von Stund an hungern läßt.

Der Tag erscheint. Das Abentheuer

Zog eine Welt zum Rennplatz hin,[4]

Auf dem in königlicher Feyer

Auch Kesra samt dem Hof erschien,

Versteht sichs ausser den Staketen

Auf einem marmornen Altan.

Beym ersten Schalle der Trompeten

Zeigt sich ein Herold auf dem Plan,

Und legt auf einem Purpurküssen

Die Krone zu des Prinzen Füssen,

Der in bescheidenem Gewand,

Mit einem Dolch an seiner Hüfte,

Still, wie ein Gott, im Kreise stand.

Itzt tönt die Losung durch die Lüfte,

Und plötzlich stürzt das Leuenpaar

Mit dampfend aufgesperrtem Rachen

Und mit dem Blick des Höllendrachen

Von beyden Seiten auf ihn dar.

Das Volk bebt laut. Mit kühler Seele

Jagt er dem ersten seinen Stahl

Ins Herz, und schnell, wie Schlag auf Strahl

Umklammert er des andern Kehle,

Bis ihn sein ehrner Arm erstickt.

Dann setzet er die Königskrone

Sich auf das Haupt. Heil, Heil dem Sohne

Des Hormuz! rief das Volk entzückt.

Und Kesra? – Starr von Schaam und Staunen[5]

Lag er auf den Altan gebückt,

Bis ihn der Jubel der Posaunen

Und seines Volks Triumphgeschrey

Aus seinem schweren Traum erweckte.

Er eilt mit festem Schritt herbey.

Sey König! rief er laut, und streckte

Die Arme nach dem Sieger aus;

Ich steige fröhlich von dem Throne,

Der dir gebührt; dein Heldenstraus

Erwarb dir mehr als meine Krone –

Mein Herz. So sprach der edle Feind

Und ward, wie die Annalen melden,

Nicht nur der treuste Knecht des Helden;

Er ward und blieb sein treuster Freund.


So mußtest du den zwo Harpyen,

Der Dummheit und dem blassen Neid,

Den Lorbeer aus den Klauen ziehen,

Den Delos Gott für dich geweiht.

Erhabner Bodmer, o noch lange

Schmück er dein silberweisses Haar,

Bis deiner Schüler fromme Schaar

Ihn einst, bey leisem Flötenklange,

Mit einem Thränenopfer netzt

Und ihn auf deine Urne setzt!

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 3-6.
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