Von der Hölle

Lied im Ton: Wer in dem Schutz deß Höchsten sitzt, usw.


1.

Wer dencket an der Höllen Glut,

Muß in sich Angst empfinden,

Weil er deß Höchsten Zornerut

Verdient mit seinen Sünden.

In dem jhn das Gewissen nagt,

Beklagt, verdammet, quält und plagt,

Fühlt er die Höllen-Flammen.


2.

Es eilt der Flügelschnelle Tod

Zu uns mit Centnerschmertzen,

Er setzt uns in die letste Noht,

Daß wir mit kranckem Hertzen

Erkennen Gottes Straffgericht,

Ob wir von seinem Angesicht

Sind fort und fort verstossen.[1]


3.

Wie dann der Baum ohn Frucht gefällt,

So bleibt er ewig ligen;

All' Helffen ist zu ruck gestellt,

All' Hoffen muß betrügen.

Ach wann die spate Threnen-Flut

Erkülen solt der Höllen Glut,

Sie würden stetig weinen.


4.

Gleichwie dort deß Tyrannen Flamm,

Hoch neun und viertzig Elen,

Doch niemals gar auff funfftzig kam,

Daran man pflegt zu zehlen

Das Diensterlaß- und Jubel-Jahr,

So wird auch der Verdambten Schar

Niemals erlöset werden.


5.

Wer kan doch wohnen in der Flamm,

Die niemals sich verzehret?

Wer kan doch leben in dem Schlamm,

Den Bech und Schwefel nehret?

Die Seele leidet tausend Plag,

Die nie kein Leib ertragen mag,

Weil sie nicht kan ersterben.


6.

Nun, nun ist alle Reu zu spat.

Die sie für Thoren hielten,

Sind in der Fried- und Freudenstatt,

Als die dort Jammer fühlten.

Das Blat hat leider sich gewendt:

Sie sind gequält ohn alles End'

Vnd diese stets getröstet.


7.

O Sünden-Mensch, bedenck die Höll,

Fang an ein neues Leben:

Errett doch heute deine Seel,

In dem dir Frist gegeben.

Versaumest du die Gnaden-Zeit,

So hat der Satan schon bereit,

Wo du must ewig brennen.


8.

O treuer Gott, O Gnaden-Hort,

Behüt uns vor der Hölle,

Daß wir nicht kommen an das Ort

Der steten MarterStelle.

Hilff uns durch deinen lieben Sohn,

Du aller Außerwehlten Lohn,

In dem wir seelig sterben, Amen.

Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 1-2.
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