Sturmlied

[396] Wild stieß der Sturm durch die Nacht.

In den schwarzen Aesten der alten Eiche

Harfte er gellend ein Tanzlied der Kraft:


Ueber die Berge und Wässer und Wälder,

Hussahojoh!

Schwing durch die Nacht ich mich, flügelfroh singend,

Hussahojoh!

Tannen zerknick ich wie dürres Schilf,

Aecker zerwühl ich wie Haufen Sands,

Fangeball spiel ich mit Felsgestein

Hussahojoh!


Auslösch ich die Lichter, anfach ich die Flammen,

Mit Wolken umball ich die blinkenden Sterne,

Gebirge von Wogen aufthürm ich im Meere,

Zu schlingenden Schlünden hinblas ich die Schiffe,

Hussah!
[396]

Dann spiel ich mit treibenden Trümmern gelinde,

Und, müde, werd ich zum säuselnden Winde,

Und singe wie Wiegenlied leis und weich.

Ich küsse die blinkenden Blüten am Baume,

Ich tändle am wogenden Halmackersaume

Und glätte die Wiesen sammetgleich.


Das ist meine Kraft, die ich löse und binde;

Krieg kreisch ich im Sturme, – im schaukelnden Winde

Bin ich ein stillfroher Friedereich.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 396-397.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)